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Es war einmal ein Junge. Sein Alter betrug geschätzte zehn Jahr. Er hatte schwarzes kurzes Haar und lebte bei seiner Mutter. Sie lebte von seinem Vater getrennt. Und das schon seit knapp vier Jahren. Es funktionierte einfach nicht, meinten sein Vater und seine Mutter. Pardon, seine Mutter und sein Vater. Wir wollen hier ja keine Männer bevorzugen. Das Mittelalter ist ja schon längst vorbei. Wir leben ja nun im 21. Jahrhundert und da gehört es sich einfach nicht, dem Mann voranzustellen. Nein, heute muss es die Frau sein. Wer jetzt glaubt, wir kehren doch nur das Mittelalter um, hat wahrscheinlich Recht. Früher hatte der Mann die Hosen an, heute die Frau. Auch wenn es dem Mann nicht gefällt, er muss es über sich ergehen lassen. Heute wird er selten Frauen in Kleidern oder Röcken sehen. Dafür wird er in der Zukunft sie tragen müssen. Eben Mittelalter umgekehrt. Er muss sich später auch gefallen lassen, dass er Hexer genannt wird. Er wird dann auf dem Scheiterhaufen stehen und betteln, winseln, jammern und flennen. Doch es wird ihm nichts helfen, er wird trotzdem auf dem Scheiterhaufen brennen. So wie es vielen Frauen im Mittelalter passierte.
Aber egal. Wir schweifen ab. Hier soll es ja um den Jungen gehen. Oder besser gesagt, um das, was heute geschah. Oder war es gestern? Na ja es war auf jeden Fall Vergangenheit, sonst könnte und dürfte ich nicht im Präteritum schreiben. Es war also vor kurzer oder langer Zeit. Der Junge war wieder einmal bei seinem Vater. In der Regel am Wochenende alle zwei Wochen. Auch heute. Sein Vater war gerade in der Küche, um einen kleinen Happen und einen Schluck Milch zu sich zu nehmen. Sein Sohn wollte es nicht. Milch fand er zu gesund. Brause war da schon besser. Doch die sollte es nicht geben, denn sie gab es nicht im Haus. Dafür aber einen englischen Schreibtisch. Der stand genau am Fenster im Arbeitszimmer von seinem Vater. Auf dem Tisch standen einige Dinge. Unter Anderem ein Computer, dessen Monitor ein Bild zeigte. Auf dem Bild sah der Junge ein Fenster. Oben links waren drei runde Kreise zu sehen. Ein roter, ein gelber und ein grüner. „Eine flachgelegte Ampel“ fiel ihm sofort in den Sinn. Etwas weiter rechts unten sollte viel Text stehen. Doch er fing nicht einmal an zu lesen. Lesen fand er uncool. Genauso wie Milch, Spinat und Kartoffeln. Simsen, Brause, Pizza und Pommes mochte er lieber. Viel lieber. Doch das bekam er nur selten. Eher bekam er tolle Geschenke.
Erst vor einigen Tagen bekam er ein Automobil. Es war ein kleines schwarzes Cabriolet. Es war mit weißen Linien und einem Schriftzug verziert. Der Schriftzug lautete „Maya“. Der Junge wusste nicht, was das hieß. Was es bedeutete. Musste er auch nicht. In Geschichte würde er es wohl irgendwann erfahren, wer die Mayas waren. Später sollte er auch erfahren, was Maya noch so alles ist. Doch das war ihm erst einmal völlig egal. Er spielte lieber mit seinem Auto auf den englischen Schreibtisch. So gerne er es tat, so unbeliebt war es bei seinem Vater. Auch heute nachdem der Vater gestärkt aus der Küche kam. Dank dem Auto hatte der englische Schreibtisch nun tiefe Rillen. Dreidimensionelle Einkerbungen sozusagen. Im Endeffekt kann man also sagen: Auto plus englischer Schreibtisch ergibt dank Menschenkräften ein dreidimensionelle Objekt. Wohl eher mehrere, denn es gab viele Rillen auf dem englischen Schreibtisch. Doch das störte dem Jungen nicht. Immer wenn er bei seinem Vater war, spielte er dort. Er hörte erst auf, als es ins Bett ging oder seine Mutter ihn abholte. Wie es an jedem zweiten Sonntag geschah.