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Goldbärchi B4
Goldbärchis gibt es in verschiedenen Farben. Es gibt die lebendig-weißen, die gelbsüchtigen, die orange-zu-bräunlichen, die verliebt-hellroten, die schamroten und die neidisch-grünen. Jeder von Ihnen kann eine eigene Geschichte erzählen.
Heute werden wir die Geschichte vom Grünen hören. Wie der Name es sagt, ist der Grüne grün. Also weder gelb, noch blau. Wie seine Artgenossen gibt es auch ihn in klein, groß und riesengroß. Heute soll von dem kleinen grünen Goldbärchi die Rede sein. Wie er grün wurde, das möchte er uns heute mitteilen.
Es war einmal vor vielen Jahren, als ich von der Arbeit kam. Sie müssen wissen, ich arbeite hart in einer Fabrik, die Süßigkeiten herstellt. Von morgens um sechs bis abends um sechs arbeiten wir. Wir haben also einen zwölfstündigen Tag und da wir uns auf keine Gewerkschaft verständigen konnten, gibt es auch keinen der sagen kann, wir sollen weniger arbeiten. Es gibt auch keinen der für unsere Rechte eintritt. Aber wenigstens gibt es genug Geld. Genug Geld um einen Monat davon zu leben. Und das nicht mal schlecht, aber auch nicht sehr gut.
In unserer Fabrik stellen wir Tonnen von Süßigkeiten in Plastiktüten her. Es gibt sie in kleine und große Tüten. Manche sind hauptsächlich weiß, andere blaue und manche haben eine goldene Farbe. So stellen wir zum Beispiel kleine Bälle in blauen Tüten her, fantastische Tiere in gelb und grünen Tüten, Schnecken in wessen und gelben Tüten, süße Erdbeeren in weißen Tüten und noch viel viel mehr.
Ich ging jedenfalls eines Tages nach Hause. Fahren konnte ich ja nicht. Weder hatte ich ein Fahrrad, noch ein Auto. Wobei ein Auto hätte ich auch nicht führen können, da ich keinen Führerschein besitze. Um einen Führerschein zu erlangen, musste man tief in die Tasche greifen, die wir Goldbärchis ja nicht haben. Auch wenn wir Goldbärchis in der Süßigkeitenfabrik in Bonn viel Geld verdienen, für einen Führerschein reicht es nicht. Die Fahrschulen verlangen mehr als ein Jahresgehalt von uns und das könne wir ja nicht so leicht aufbringen, schließlich müssen wir ja noch für die Miete und das Essen bezahlen.
Also ich ging zu Fuß nach Hause. So weit weg lag es ja auch nicht. Als ich dreizehn Minuten lief, traf mich der Schlag. Da kam ein Artgenosse an, der war aber doppelt so groß wie ich. Während ich mir vier Fragen stellte, lief ich grün vor Neid an. Wie konnte er nur so groß sein? Warum war ich so klein? Hatte ich etwas falsch gemacht? Kam ich etwa aus dem falschen Bundesland? Ich fand es total ungerecht und wetterte drauf los. Wie könne das sein, Herr im Himmel? Warum hast Du mich so klein gemacht? Warum darf der Weiße so groß sein?
Dann beschimpfte ich den Herrn im Himmel so dermaßen, dass er mich bestrafen wollte. Seine Hand kam aus dem Himmel und nahm mich mit. Ich sah noch, wie der Weiße anfing um sein Leben zu rennen. Er wollte nicht von der Hand mitgenommen werden. Ich wurde mitgenommen.
Ich blieb nicht lange in der Hand des Herrn. Als Strafe wurde ich in eine Maschine gesteckt, die ein Schneidwerkzeug hatte. Damit wurde ich zerteilt. In tausend Teile. Zudem ertränkte man meine tausend Teile in einer flüssigen Lauge. Ich kann nicht sagen, was diese Lauge war. Wasser war es jedenfalls nicht.
Na ja diese Maschine war dann das Todesurteil für mich. Für den kleinen grünen Goldbärchi, der mal weiß war und ein glückliches Leben auf der Erde hatte. Nun lebe ich hier im Himmel über allen anderen Goldbärchis.