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Titus Schulgeschichten II 10 (Er und Sie ergibt ein Wir)
An jeder Schule gibt es unterschiedliche Schüler und Schülerinnen. Sie haben ihre Stärken und Schwächen. Sie haben ihre Träume und Wünsche. Diese Träume und Wünsche sind oft nicht identisch mit den Träumen und Wünschen der Eltern. Auch wenn es schwer für die Eltern ist, sie müssen akzeptieren, dass die Schüler und Schülerinnen ihre eigenen Träume und Wünsche haben. Sie möchten ihr eigenes Leben leben. Das kann ein ganz anderes Leben sein, als die Eltern es sich wünschen oder je erträumten.
An unserer Schule gab es im letzten Schuljahr ein Paar. Nennen wir die Beiden Rosanna und Robert. Rosanna und Robert sind auch heute noch ein Paar. Es fing aber schon ein Jahr zuvor an. Es war kurz nach den Osterferien. Die Beiden trafen sich im Proberaum.
Erzählte ich schon, dass es an unserer Schule einen Proberaum gibt? Nein? Dann sollte ich das kurz erwähnen. An unserer Schule gibt es verschieden Arbeitsgemeinschaften. Es gibt zum Beispiel die Grafik-AG, in der sich alle Kreativen versammeln, die zeichnen können. Es gibt an unserer Schule aber auch einen Schulchor und eine Musikband. Sie versammeln sich in der Musik-AG. Die Musikband in unserer Musik-AG muss natürlich proben. Es reicht nicht, dass jeder für sich zu Hause probt. Es muss auch eine gemeinsame Möglichkeit geben, Lieder einzustudieren. So wurde im Keller unseres Gymnasiums ein Proberaum eingerichtet. Dort versammeln sich seitdem die Musikinteressenten.
Rosanna und Robert gehörten nicht der Musikband an. Das mussten sie auch nicht. Der Proberaum stand auch für andere Schüler und Schülerinnen zur Verfügung. Einen Schlüssel zum Proberaum hatte unsere Schulband. Es gab aber auch einen zweiten und einen dritten Schlüssel im Sekretariat. Im Sekretariat konnte einer der beiden Schlüssel gegen eine Unterschrift ausgeliehen werden.
Rosanna und Robert liehen sich nach den Osterferien oft gleichzeitig den Schlüssel aus. Das bekamen wir Lehrer mit. Wir sind ja nicht blöd. Die Liste konnten auch wir einsehen.
In den Sommerferien war dann aber nur noch Rosanna im Proberaum. Robert lieh sich nicht mehr den Schlüssel aus. Das wunderte uns am Anfang des Schuljahres. Wir dachten ja, dass aus den Beiden in den Sommerferien etwas wird. Unter uns Lehrern und Lehrerinnen gab es sogar Wetten.
Nicht nur wir Lehrkräfte wunderten uns. Auch Rosanna wunderte sich. Zur Rede stellte Rosanna Robert aber nicht.
Das tat dann aber Stefan. Auch er sah, dass zwischen den Beiden etwas laufen konnte. Er wettete sogar darauf. Stefan wunderte sich, warum Robert plötzlich nicht mehr im Proberaum auftauchte. Stefan fragte ihn. Anfangs gab es nur Ausreden. Erst durch einen Zufall erfuhr Stefan den wahren Grund.
Robert war mit dem HI-Virus infiziert. Das Ergebnis bekam er kurz vor den Sommerferien. Wie es passieren konnte, wusste er nicht. Klar, damit war eine Beziehung schwierig. Stefan meinte aber, dass es nicht unmöglich war. Robert musste doch sehen, dass auch Rosanna etwas für Robert empfand. Das sah Robert. Doch Robert wollte es Rosanna ersparen, das Leben mit einem HIV-infizierten Menschen zu teilen. Sie sollte einen besseren Freund haben.
Das Gespräch bekam Rosanna mit. Rosanna erfuhr von der HIV-Infektion. Sie stellte Robert sogleich zur Rede. Rosanna wollte selber entscheiden, wer gut genug für sie war. Robert war es. Rosanna war klar, dass die Krankheit Probleme bereiten würde. Das wäre aber kein Grund einen geliebten Menschen zurückzuweisen.
Dann küsste Rosanna Robert. Anschließend sprach sie „Und wenn ich mich jetzt mit HIV infiziert haben sollte, dann bin ich es. Du hast jetzt keinen Grund mehr, keine Beziehung mit mir einzugehen!“
Robert war etwas baff. Sich gegen Rosanna wehren konnte er nicht. Dafür waren seine Gefühle zu stark.
Stefan musste übrigens versprechen, von der HIV-Infizierung nichts zu sagen. Das würde sicherlich nur zu Problemen an der Schule führen. Stefan versprach es nur halbwegs. Die Lehrkräfte wollte er einweihen. So erfuhr auch ich von den Beiden und der HIV-Infizierung.